Heute schauen wir uns mal an wann man eine Überlastungsanzeige schreibt und wie man das ganze juristisch auch wasserdicht angeht ohne von der Pflegedienstleitung in der Zukunft nicht mehr beachtet wird oder gar mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht wird.
Die Überlastungsanzeige schwebt wie ein Damoklesschwert über jeder Pflegekraft einmal und man hofft, dass man niemals in so eine Situation kommt.
Doch fangen wir mal von ganz vorne an…
Eine Überlastungsanzeige ist die Information an die Führungskraft oder den Arbeitgeber über eine gefährliche Unterbesetzung einer Station, die in dem Moment mit dem vorhanden Personal einfach nicht zu bewältigen ist.
Und denkt immer daran: die Abfassung und Erstattung einer Überlastungsanzeige steht jedem Mitarbeiter zu.
Fallen bei Schichtbeginn aber unvorhergesehen Mitarbeiter aus, so dass ganz akut gefährliche Pflege droht.
Zu beachten ist außerdem, dass die Normalbesetzung nicht die Mindestbesetzung sein sein darf, sondern darüber liegen muss. Zusätzliche Gründe für ein Fehlen sind
• Planjahre Erholungsurlaube
• Planbarer Mutterschutz
• Plötzliche Erkrankung - nicht planbar
• Betreuung kranker Kinder - nicht planbar
• Planbarer Bildungsurlaub.
Ja. Sie resultiert unter anderem aus den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten (§§ 611, 611a BGB und §§ 241 Abs. 2, 242 BGB). Danach sind Beschäftigte verpflichtet, den Arbeitgeber vor drohenden Schäden zu bewahren, vor deren Eintritt zu warnen und darüber hinaus auf organisatorische Mängel oder Überschreiten der zulässigen Arbeitszeiten nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) aufmerksam zu machen. Das Arbeitsschutzgesetz konkretisiert diese Nebenpflichten (ArbSchG). Die Beschäftigten haben nämlich die Pflicht, Sorge zu tragen für ihre eigene Sicherheit und Gesundheit und für die der Personen, die von Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind (§ 15 ArbSchG).
• Der aktuelle Arbeitsanfall
• Die Qualifikation der Pflegekräfte
Hier ein paar Beispiele:
• 2 Nachtschwestern für 88 Betten in drei Abteilungen
• Auf Antrag des Pflegepersonals kann nicht kurzfristig eine Sitzwache zur Vermeidung einer akuten Gefährdung des Patienten zur Verfügung gestellt werden.
• Eine Säuglingsstation muss durchgehend mit Pflegefachkräften besetzt sein, um eine lückenlose Betreuung der Säuglinge zu gewährleisten.
Fallen jetzt plötzlich bei Schichtbeginn Mitarbeiter aus, so dass ganz akut gefährliche Pflege droht, müssen unverzüglich folgende Stellen telefonisch informiert werden:
• Die Stationsleitung
• Die Pflegedienstleitung
• Der Stationsarzt
• Der Einrichtungsträger.
Dies ist super wichtig, denn schon arbeitsrechtlich gibt es Fürsorgepflichten. Zu den Fürsorgepflichten gehört auch, dass man den Vertragspartner ( also hier die Patienten und Bewohner) vor Schaden zu bewahren hat und auf dessen Interessen Rücksicht zu nehmen hat ( § 242 BGB).
„Nicht selten führt das zur Zerstörung der Chemie und man wird zum Mobbing-Opfer, zum schwarzen Schaf. Das ist eigentlich die größte Gefahr.“
Arbeitgeber dürfen auf eine Überlastungsanzeige jedenfalls nicht mit einer Abmahnung reagieren. Mit diesem Thema waren auch schon die Gerichte beschäftigt.
Eine Mitarbeiterin der A. Klinik wehrt sich gegen eine Abmahnung.
Die Beklagte ist ein Unternehmen des Gesundheitswesens, das in Göttingen zwei psychiatrische Fachkliniken betreibt.
Die Kliniken wurden im Jahr 2012 privatisiert. Die Klägerin ist examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und sollte am 26. September 2016 als Vertretungskraft auf der Station 5.2 eingesetzt werden. Auf der Station sollte zudem eine Auszubildende eingesetzt werden.
Da die Klägerin die Personalstärke für nicht ausreichend erachtete, meldete sie sich bei dem diensthabenden Pflegedienstleiter. Daraufhin wurde der Station eine weitere Auszubildende zugeteilt. Zusätzlich wurde der Klägerin mitgeteilt, dass sie im Falle von unvorhersehbaren Arbeitsspitzen Unterstützung von der Nachbarstation anfordern könne. Die Klägerin empfand die personelle Situation weiterhin als unzureichend und verfasste eine Gefährdungsanzeige gem. § 16 ArbSchG.
Nach dieser Norm haben Beschäftigte dem Arbeitgeber oder dem zuständigen Vorgesetzten jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit unverzüglich zu melden.
Die Beklagte sprach gegenüber der Klägerin wegen des Vorfalls eine Abmahnung aus. In dem Abmahnungsschreiben wird der Klägerin zum Vorwurf gemacht, dass die Gefährdungsanzeige unberechtigt gewesen sei, da die Anzahl der auf der Station eingesetzten Mitarbeiter (eine examinierte Fachkraft und zwei Auszubildende) durchaus ausreichend gewesen sei. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Abmahnung unwirksam sei und aus der Personalakte entfernt werden müsse.
Nach dem Gesetz seien die Arbeitnehmer verpflichtet, den Arbeitgeber auf die aus ihrer Sicht bestehenden Gefahren hinzuweisen. Insofern komme es ausschließlich auf die subjektive Einschätzung des jeweiligen Arbeitnehmers und nicht auf die Einschätzung des Arbeitgebers an.
Im Übrigen ist die Klägerin der Auffassung, dass das Vorgehen der Beklagten das Patientenwohl gefährde. Die Mitarbeiter würden sich aus Angst vor einer Abmahnung nicht mehr trauen, auf die aus ihrer Sicht bestehenden Gefährdungssituationen hinzuweisen.
Vielleicht hast du schon einmal von anderen Pflegekräften gehört, dass Überlastungsanzeigen nichts bringen oder du hast Angst davor, dass dein Arbeitgeber oder gar die Kollegen dich abstrafen. Tatsächlich erreichen die Gewerkschaft ver.di anonyme Briefe von Pflegekräften, die beschreiben, dass sie sich rechtfertigen mussten und ihre Eignung für den Pflegeberuf angezweifelt wurde. Doch gerade die Fähigkeit, Gefahrensituationen zu erkennen und der Mut, Veränderungen einzufordern, zeigen, dass du deinen Job ernst nimmst und verantwortungsvoll handelst.
Auch das Gesetz ist auf deiner Seite. Laut Maßregelungsverbot nach Paragraf 612a des Bürgerlichen Gesetzbuches darf der Arbeitgeber Euch nicht abmahnen, denn es zählt allein der Eindruck des Arbeitnehmers.
Im Falle einer Krankenpflegerin, die wegen einer Überlastungsanzeige eine Abmahnung erhielt, entschied das Landesarbeitsgericht Niedersachsen 2018 in einem Berufungsverfahren, dass die Abmahnung nicht rechtmäßig war.
Anderseits gilt aber auch: „Man muss in jedem einzelnen Fall die Folgen abwägen, ob sich eine Überlastungsanzeige lohnt. Auf jeden Fall ist von einer internen Rudelbildung abzuraten, das nehmen Arbeitgeber sehr übel“, warnt Bredereck. Besser wäre, einen offiziellen Sprecher wie den Betriebsrat oder die Gewerkschaft einzuschalten. „Das sind gewählte innerbetriebliche beziehungsweise externe Organe, die können anders agieren.“
Dann können mal ganz schnell hier die Anwälte eingeschaltet werden, denn es werden Haftungsansprüche der Beteiligten direkt ausgelöst. Wenn also eine Überlastungsanzeige erfolgt und zwar erst telefonisch an alle oben genannte Stellen und dann zur Absicherung unbedingt noch schriftliche festhalten - meist gibt es in der Einrichtung auch schon entsprechende Vordrucke - und die Pflegedienstleitung zickig wird und einfach nur so meint: „Ja passt schon… wir haben ja eine Versicherung die das abdeckt“ geht das mal richtig schief. Wenn die Pflegedienstleitung keine Lösung anbieten kann, die auch funktioniert, ist es nicht mehr euer Problem.
Denn auch eine Haftpflichtversicherung wird hier mal nix übernehmen, da in diesem Fall ja vorsätzlich gehandelt wird! Wenn wirklich nichts unternommen wird können im Anschluss folgende Maßnahmen auf die Pflegedienstleitung und die Einrichtungsleitung zukommen.
Wenn wirklich nix passiert könnte folgendes in Betracht gezogen werden:
• Strafanzeige wegen Vernachlässigung Schutzbefohlener, Körperverletzung durch Unterlassen bzw. generell eine Information an die Polizei,
• die Einschaltung der Heimaufsicht,
• die Information des Gesundheitsamts,
• die Einschaltung des MDK insbesondere in der mobilen Pflege sowie
• gegebenenfalls auch ein Hinweis an die Lokalpresse.
Kann man damit den Personalmangel gut abfangen?
Habt Ihr Erfahrungen mit einem Springerpool gemacht und wen ja welche?
Wie kann man Personalausfälle in der Altenpflege besser abdecken?
Und ganz ehrlich müsst Ihr Euch in so einem Fall dann mal in Ruhe mit einen Kaffee hinsetzen und überlegen, ob Ihr in so einer Einrichtung arbeiten wollt, der nicht nur die Patienten- und Bewohnerinteressen nicht beachtet, sondern auch letztlich durch zu erwartende Haftpflichtprozesse auch bedenkenlos die Rechte seiner Mitarbeiter mit Füßen tritt und diese nicht nur in die Haftung sondern auch noch in den Pflexit treibt!
GLG
Eure Schwester Eva
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