Wie schätze ich ein Dekubitusrisiko ein?
Immer wieder stehen wir vor der Frage, wenn ein neuer Bewohner oder Patient zu uns ins Heim, die Kurzzeitpflege oder ins Krankenhaus kommt, wie wir dann richtig gemäß dem Expertenstandard für Dekubitus das Risiko richtig einschätzen.
Oft werden zur Einschätzung Skalen wie die Braden- oder die Norton Skala benutzt. Doch der Expertenstandard sagt, dass die Skalen nicht mehr zwingend notwendig sind, sondern es auf die fachliche Kompetenz und Einschätzung der Pflegefachkraft ankommt.
In meiner täglichen Arbeit sehe ich immer wieder, dass ein Risiko für einen Dekubitus erkannt und dokumentiert wird, aber meistens verbleibt es dabei. Der Medizinische Dienst prüft anhand der Expertenstandards sehr genau, ob alle Schritte richtig (und natürlich auch zur richtigen Zeit) eingehalten wurden. Wichtig zu wissen ist, dass wenn das Dekubitusrisiko nicht richtig eingeschätzt wurde und daraus Mängel bei der Dekubitusprophylaxe und -Therapie entstehen, dies definitiv ein Fehler der Pflegefachkraft ist.
Aus diesem Grund möchte ich die Schritte unbedingt einmal näher aufzählen.
Wie funktioniert die Einschätzung denn jetzt ohne Skala?
Gemeinsam gehen wir das am Besten Schritt für Schritt an diesem Fallbeispiel von Frau Gerda Bessler an:
Frau Gerda Bessler ist 78 Jahre alt und seit sechs Jahren Witwe. Bis vor einem Jahr lebte sie in ihrem großen Haus mit Garten. Sie liebte ihre Rosen und die Gemüsebeete.
Frau Bessler stürzte vor einem Jahr bei der Gartenarbeit und erlitt eine Oberschenkelhalsfraktur rechts, von der sie sich nur schwer erholte. Der Umzug in ein Pflegeheim war notwendig, weil ihre Kinder die Versorgung nicht übernehmen konnten.
Ihr Sohn ist beruflich viel im Ausland unterwegs und ihre Tochter durch Beruf, Haushalt und Kinder stark beansprucht. Es gibt Tage, an denen sie ihr Bett gar nicht mehr verlassen möchte, noch nicht einmal zu den Essenszeiten. Teilweise sitzt sie dann aufrecht im Bett zu den Mahlzeiten.
Erschwerend kommt ihre Adipositas hinzu (79 kg bei 162 cm). Frau Bessler bewegt sich im Bett ein wenig selbständig, kann sich aber nicht mehr alleine aufrichten. Sie kann nicht mehr stehen und muss mit dem Lifter aus dem Bett mobilisiert werden.
Frau Bessler ist gestern Abend in Ihre Einrichtung gekommen und Sie haben Frühdienst und sollen sich um den "Papierkram" kümmern.
Anleitung:
1. Schritt:
Innerhalb von 8 Stunden muss gemäß dem Expertenstandard Dekubitusprophylaxe eine Hautinspektion erfolgen! Bitte notieren Sie eine durchgeführte Hautinspektion und wenn nötig führen Sie einen Fingerdrucktest durch.
2. Schritt:
Bei Bewohnern / Patienten die nicht in der Lage sind, sich selbst in einer Position im Bett zu halten, ist davon auszugehen, dass ein Dekubitusrisiko vorliegt.
3. Schritt:
Sie überprüfen, welche Risikofaktoren für einen Dekubitus vorliegen könnten. Risikofaktoren für einen Dekubitus sind unter anderem folgende Faktoren:
Beeinträchtigung der Mobilität
Störungen der Durchblutung
beeinträchtigter Hautzustand (bereits vorhandener Dekubitus).
4. Schritt:
Sie erstellen eine SIS und füllen die Risikomatrix aus! Wenn sie dann in der Matrix ein Dekubitusrisiko angekreuzt haben ist UNBEDINGT eine weitere Einschätzung notwendig und dies ist auch anzukreuzen; bitte auch dann im Anschluss durchführen!
5. Schritt:
Führen Sie dann eine differenzierte Risikoeinschätzung durch. Dies kann auch weiterhin mit den Skalen erfolgen. Wichtig sind die folgenden Risikofaktoren zu beurteilen:
Immobilität
Beeinträchtigter Hautzustand
Durchblutungsstörungen
Verminderte sensorische Wahrnehmung
Diabetes mellitus
Allgemeiner Gesundheitszustand | Begleiterkrankungen
Beeinträchtigter Ernährungszustand
Erhöhte Hautfeuchtigkeit
6. Schritt:
Nachdem Sie jetzt eine Risikoeinschätzung vorliegen haben müssen Sie sich am Besten jetzt schon überlegen, wann Sie das Risiko erneut einschätzen wollen (z. B. nach 4 Wochen). Dies ist aber immer unterschiedlich und vom Zustand des Bewohners / Patienten abhängig.
7. Schritt:
Nehmen Sie die SIS zur Hand und gehen Sie über zur Maßnahmenplanung. Planen Sie dort alle pflegerischen Maßnahmen um einen Dekubitus zu verhindern bzw. eine Verschlimmerung zu vermeiden, wenn schon ein Dekubitus besteht. Bitte vergessen Sie auch nicht alsbald die Pflegedokumentation zu evaluieren; dazu gehört auch bei einer Wunddokumentation die Wunddokumentation zu evaluieren. Wie das geht finden Sie in diesem Blogartikel.
Denken Sie immer an den Pflegeprozess der auch in der Dokumentation sichtbar werden muss!
EXKURS: Wenn sich der Hautzustand eines Bewohners oder Patienten verschlechtert oder sich in einem schlechteren Allgemeinzustand nach z. B. einem Krankenhausaufenthalt wieder in Ihrer Einrichtung befindet, sollte unbedingt das Dekubitusrisiko neu eingeschätzt werden. Bei signifikanten Veränderungen des Zustandes sollte auch darüber nachgedacht werden, eine neue SIS zu erstellen und die anderen Risiken ebenfalls neu mit zu überprüfen (wie Mangelernährung, Inkontinenzrisiko usw.).
Ich möchte Sie gerne dazu einladen, dass Sie sich hier die SIS (kostenlos) herunterladen und die SIS dann für unser Fallbeispiel ausfüllen und mir zusenden. Dann werde ich Ihre SIS kostenlos kontrollieren und Ihnen meine Version der SIS zusenden.
Als nächstes könnten Sie dann eine Maßnahmenplanung für Frau Bessler erstellen und mir ebenfalls kostenlos zur Prüfung zusenden wenn Sie sich die Zeit nehmen möchten...
Wissen rettet Leben!
Zögern Sie nicht länger und bereiten Sie sich richtig und endlich zeitsparend auf Ihre Examensprüfung vor:
Viel Erfolg und bleiben Sie gesund
Ihre
Schwester Eva
Pflegeexpertin
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