Ich kam in ein Patientenzimmer, weil dort die Glocke ging und der Nachbarpatient teilte mit, er habe für den Nachbarn geklingelt, denn der Mitpatient schrie unaufhörlich vor Schmerzen! 🔥
Ich hatte keine Ahnung was vor sich ging oder was diese Schmerzen bei dem Patienten ausgelöst haben könnten, denn er war mit Verdacht auf einen Apoplex eingeliefert worden und völlig stabil. Jetzt hielt er sich sein linkes Knie und krümmte sich nun vor Schmerzen.
Ich spürte, wie mir das Herz in die Hose rutschte und überlegte schnell, was ich als nächstes tun sollte?
- Den Arzt anrufen und erst das Telefon holen? 👨⚕️
- Die Kollegin zu Hilfe holen? 👩⚕️
- Schnell den Stationsarzt holen? 🥼
- Versuchen den Patienten zu beruhigen? ❤️
- Selbst Medikamente geben bis der Arzt eintrifft und dann einfach hinterher sagen, das Arzt solle es bitte einfach nachträglich anordnen? 💊
Ich fühlte, dass ich bei diesen vielen Möglichkeiten selbst nervös wurde und spürte, dass mich der Nachbarpatient genau beobachtete und jede meiner Bewegungen aufmerksam verfolgte!
Ich merkte den Druck, jetzt eine richtige Entscheidung zu treffen, an meinen schwitzigen Handflächen und war für einige Sekunden durch die Angst wie zu einer Säule erstarrt.
Die Schreie des Patienten wegen seines Knies holten mich zurück in die Wirklichkeit…
So ähnlich ging es einem Rettungssanitäter, der einem Patienten ohne ärztliche Weisung einen venösen Zugang gelegt hatte und hierüber dann die Medikamente Dormicum 💢 und Ketanest 💢 gespritzt hatte.
Dadurch kam es bei dem Patienten zu einer Störung in der Feinmotorik, der Sprache und der bildlichen Wahrnehmung.
Das Amtsgericht hatte den Rettungssanitäter dann 2014 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt! 💰
Zudem wurde ihm dann vom Landesamt in Niedersachsen die Berufsbezeichnung entzogen.
Wie kam es dazu, dass der Rettungssanitäter eine fette Geldstrafe und ihm noch die weitere Berufsausübung untersagt wurde?
Grundsätzlich sind medizinische Behandlungen nur Ärzten und Heilpraktikern vorbehalten! Denn der Arzt ordnet an und die Pflegekraft oder der Rettungssanitäter führt aus!
Was aber im Notfall tun?
Ist es nicht so, dass kurz bevor der Patient vor dem Ableben steht, ich nichts tue, dann unterlassene Hilfeleistung mit evtl. Todesfolge sein könnte? ▶️
- § 323 c des Strafgesetzbuches!
Steht der Patient kurz vor dem Ableben, bedeutet Nichtstun unterlassene Hilfeleistung. Dies bedeutet, dass eine Notfallkompetenz nicht-ärztlicher Mitarbeiter besteht, wenn der Patient ohne weitere Hilfe jetzt und hier sterben kann.
Wie ist das aber, wenn der Patient unbedingt ein Schmerzmittel haben will und die Schmerzen immer unerträglicher werden? 💉
Darf der Mitarbeiter dann vor Eintreffen des Arztes handeln?
Nach Auffassung des Amtsrichters ist diese Frage mit „nein" zu beantworten, selbst wenn der Patient es ausdrücklich wünscht❗️
Wenn sich – wie im vorliegenden Fall – die Juristen bei der Strafbarkeitsbeurteilung noch nicht einmal einig sind, reicht dies für einen Widerruf nie und nimmer aus. So hat auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg mit Beschluss vom 17. Februar 2016 (Az.: 8 ME 213/15) nicht etwa nur diesen einen Strafprozess zu würdigen gehabt, sondern es gab bei diesem Rettungssanitäter über Jahre hinweg ständig irgendwelche Strafverfahren 🅾️, die mit Kinder- und Jugendpornografie, sexuellen Missbrauchs von Kindern und vorsätzlicher Körperverletzung in Zusammenhang standen.
Wenn so massiv über Jahre hinweg strafrechtliche Verfehlungen gleicher Art auftreten, die die Berufsausübung berühren, dann besteht Wiederholungsgefahr, und dann muss diese Person sofort aus dem Beruf entfernt werden können. Ein einmaliges Versagen eines Gesundheitsfachberuflers hingegen kann einen solchen Widerruf nur dann rechtfertigen, wenn die Rechtsgutverletzung so erheblich ist, dass dies der Allgemeinheit nicht mehr zugemutet werden kann, dass eine solche Person beruflich tätig wird. So etwas kommt ganz selten vor. 🅾
Fazit: Ob eigenmächtige Injektionen 💉 das berufliche Aus bedeuten, kann ebenfalls nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung des Einzelfalls beurteilt werden.
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt hier jedoch ein sehr massives, in der Regel mit Wiederholungsgefahr verbundenes Fehlverhalten der Pflegeperson oder eines anderen Gesundheitsfachberuflers.
Wie können sich Pflegende absichern?
Es gibt dafür drei Möglichkeiten:
die ärztliche Bedarfsanordnung,
ein Pflegestandard zu medizinischen Behandlungsmaßnahmen ohne Arzt im Notfall,
formlose Absprache, die möglichst schriftlich bestätigt wird.
Genau das ist auch bei einem Pflegestandard erforderlich: Es wird der Rahmen, innerhalb dem die Pflege oder der Rettungssanitäter 📣 tätig wird, so genau wie möglich festgelegt. So kann man das ohne weiteres auch in einem Bestätigungsschreiben machen.
Zusammenfassend sind folgende Punkte festzuhalten:
Eigenmächtige Behandlungsmaßnahmen sind in der Regel nicht zu akzeptieren, es sei denn, diese Tätigkeit fällt in das Berufsbild des Gesundheitsfachberuflers.
Im Notfall muss der nicht- ermächtigte, beruflich aber entsprechend ausgebildete Gesundheitsfachberufler dann tätig werden, wenn der Patient ansonsten versterben könnte.
Der Wunsch des Patienten reicht zur Ermächtigung des eigenmächtigen Handelns in der Regel nicht aus.
Es bietet sich an, im Vorfeld eine Absprache zwischen Arzt und Pflegedienst beziehungsweise Rettungsdienst zu treffen, wie in Notfällen und auch Schmerzfällen bei Abwesenheit des Arztes vorzugehen ist. (Schwierig bei vielen verschiedenen und täglich wechselnder Besatzung!)
Im Rettungsdienst beim BRK in Weilheim
Praxistipp
"Bedarfsmedikationen anordnen lassen und diese müssen eindeutig sein"
Für den Krankenhausbereich eignet sich die Bedarfsmedikation am Besten, um sicherzustellen, dass ein Patient beispielsweise rechtzeitig sein Schmerzmittel erhält. Diese Vorgehensweise ist in allen Kliniken auch üblich. Die Rahmenbedingungen lassen jedoch meist zu wünschen übrig.
Um eine richtige Bedarfmedikation zu gewährleisten, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
Die Bedarfsmedikation ist schriftlich festzuhalten. Das geht problemlos, da es sich um eine Anordnung für Situationen in der Zukunft handelt und nicht aus einem Notfall resultiert.
Es ist zu konkretisieren, um welchen „Bedarf" es sich handelt, zum Beispiel postoperativer Wundschmerz oder eine eindeutig festgelegte Erhöhung des Blutdrucks. In der Intensivpflege sind Bedarfsmedikationen in Form von Richtwerten gar nicht mehr wegzudenken.
Schulungen und Informationen sind immer wieder erforderlich. Denn wer beispielsweise schmerzlindernde Medikamente gibt, muss wissen, wo die Grenze des Maximums liegt, um gefährliche Nebenwirkungen zu vermeiden. Daher sollte bei solchen Medikamenten auch die Höchstdosis in der entsprechenden Zeiteinheit angeordnet werden.
Der Rest ist Krankenbeobachtung und damit ureigene pflegerische Sorgfaltspflicht! 🚀
Wie ging es mit meinem Patienten weiter?
Ich entschied mich intuitiv dafür, den Patienten anzusprechen und zu beruhigen und zu fragen, was überhaupt los war.
Es war die richtige Entscheidung, den wie es sich herausstellte, war nur sein Bein eingeschlafen und kribbelte fürchterlich, weil er sich auf sein Bein gesetzt hatte und nach einer Aufforderung sich zu bewegen und das Bein mal „runterhängen“ zu lassen, ging es ihm sofort wieder besser!
Ich war so erleichtert die richtige Entscheidung getroffen zu haben und habe gelernt, wie ich mit dieser Situation umgehen konnte und dem Patienten helfen konnte! 🏆
Dennoch war ich besorgt, ob eine nächste Situation auch so glimpflich ausgehen würde und nahm mir vor, mich unbedingt immer weiter bilden und informieren zu wollen um mehr Sicherheit in solchen Situationen zu bekommen. 👩💻
Geht es Ihnen auch so?
Ganz liebe Grüße
Ihre
Eva B. Mertens
PS: Das hätte ich fast vergessen: Damit auch Sie sicher fühlen und Ihr Wissen erweitern und auffrischen können, gibt es meine Besten Kurse jetzt im Angebot:
Diese Kurse schenken Ihnen einen entspannteren Pflegealltag, da sie Ihr Wissen und Ihr Können jetzt richtig anwenden können und sich damit auch super auf Ihr Examen vorberieten können.
Melden Sie sich einfach kostenlos an und lassen Sie uns sehen, wohin Sie dieses Training führt!
Wir sehen uns dann im nächsten Blog und im Kurs!
👋
Bildnachweis: Eva B. Mertens
- pixabay.com
- Stuttgarter-Nachrichten.de
Comments