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AutorenbildSchwester Eva - Pflegeexpertin

Haftung der Pflegekraft für Sturz einer Patientin am Waschbecken - 8.000 Euro Schadensersatz -








  Sturz am Waschbecken 


8.000 Euro Schadensersatz wegen Fahrlässigkeit der Pflegerin 




Zu seinem Recht und zu Schadensersatz kam der Ehemann einer in einem privaten  Altenpflegeheim untergebrachten Frau, die an den Folgen eines Sturzes verstorben war! Die an schwerer Altersdemenz leidende Patientin war auf ihrem Zimmer gestürzt und hatte sich eine Armfraktur und Kopfverletzungen zugezogen, als ihre  Pflegerin sie am Waschbecken stehen ließ, um den Toilettenstuhl bereit zu  stellen.


Der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Zweibrücken sah darin – im Gegensatz zum Landgericht Kaiserslautern – eine fahrlässige Unachtsamkeit der Pflegerin und somit eine Vertragsverletzung, für die auch das Pflegeheim einzustehen hat. Auf Grund der besonderen Umstände durfte nicht darauf vertraut  werden, dass die Patientin auch nur kurze Zeit ohne Hilfe sicher stehen bleiben würde: Das "fast maximale Sturzrisiko" sei durch die Erkrankung und einen  vorangegangenen Sturz im selben Jahr, der zu einer Oberschenkelfraktur geführt  hatte, begründet gewesen. 


Da der Schmerzensgeldanspruch, den das Gericht mit  8000 € für das vor dem Tod ertragene Leiden der Frau beziffert hat, auf den  Ehemann als Erben übergegangen ist, war dieser mit seiner Klage erfolgreich.





Aus dem Urteil:


Der  Kläger  ist der  Alleinerbe seiner  am 14. Juni 2002 an den Folgen eines  Sturzes verstorbenen Ehefrau, welchen sie in dem  privaten Altenpflegeheim  erlitten hat. Die 1927 geborene Ehefrau des Klägers  befand sich seit 1998 in dem Pflegeheim weil sie an Demenz vom Typ Alzheimer erkrankt war. Sie war  seit 11. März 2002 der Pflegestufe III zugeordnet. Sie hatte sich bei einem Spaziergang am 29. März 2002 bei einem (ersten) Sturz in dem Pflegeheim eine mediale Oberschenkelfraktur rechts zugezogen, weshalb ihr  im  Krankenhaus  eine Hüftkopfprothese implantiert worden war. Nach ihrer  Rückkehr in das Pflegeheim stürzte die Ehefrau des Klägers am 19. April 2002 erneut. Sie war  nach dem Abendessen von einer  angestellten Pflegerin vom  Speisesaal in ihr  Zimmer  geführt worden. Da die Pflegerin die inkontinente Ehefrau des Klägers vor dem zu Bett gehen noch einmal auf einen im Zimmer  bereitstehenden Toilettenstuhl setzen wollte, forderte sie diese auf, an dem  neben der Zimmertür befindlichen Waschbecken stehen zu bleiben und sich an Haltegriffen, welche sich neben dem Waschbecken befanden, festzuhalten. Anschließend wandte sich die Pflegerin um, um den Toilettenstuhl herbei zu holen. In diesem Moment stürzte die Ehefrau des Klägers auf den Boden. Sie zog sich eine Oberarmfraktur und eine Kopfverletzung zu, weshalb sie erneut in ein Krankenhaus gebracht wurde. Dort wurde der Arm versorgt und ein infolge der  Kopfverletzung aufgetretenes subdurales Hämatom beidseits operativ  ausgeräumt.


In der  Folgezeit entwickelte sich bei der  Ehefrau des Klägers  aufgrund einer  Infektion eine Lungenentzündung, welche mit dem Mittel Vancomycin behandelt wurde, das  zu einer  Niereninsuffizienz  führte. In der  Folgezeit verschlechterte sich der  Zustand der  am  29. Mai 2002 in das  Pflegeheim zurückverlegten Ehefrau des Klägers zusehends, bis sie am 14. Juni 2002 verstarb. Der  Kläger  begehrte von dem Altenheim  aus übergegangenem Recht seiner  Ehefrau ein Schmerzensgeld, welches er in einer Größenordnung von 25 000,00 EUR für angemessen hielt, sowie Schadensersatz in Höhe von 367,82 EUR. Er  ist der  Auffassung, die Pflegerin habe den Sturz  seiner  Ehefrau durch eine fahrlässige Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten verursacht. Durch das angefochtene Urteil, auf das zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen wurde, hat die 4. Zivilkammer  des Landgerichts Kaiserslautern die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Mit seiner Berufung bekämpfte der Kläger das Urteil des Landgerichts in vollem  Umfang. Er rügte die Rechtsauffassung und die Beweiswürdigung der Kammer. Er beantragte, das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagten (Altenheim und Pflegerin)  als Gesamtschuldner zu verurteilen.





Die zulässige Berufung des Klägers führte teilweise zum Erfolg. Der  Kläger  hat als Erbe nach seiner  Ehefrau aus übergegangenem Recht (§ 1922 BGB) gegen die Beklagten als Gesamtschuldner nach §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB  einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 8 000,00 EUR und nach den Grundsätzen der  (früheren)  positiven Vertragsverletzung i.V.m. Art. 229 § 5 EGBGB  ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 367,82 EUR. Die Beklagte Pflegerin, für  welche die Pflegeeinrichtung im Rahmen ihrer  deliktischen Haftung nach § 831 BGB  und im Rahmen ihrer  vertraglichen Haftung nach § 278 BGB haftet, hat den Sturz der Ehefrau des Klägers vom 14. Juni 2002 durch eine fahrlässige Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten, welche ihr im Zusammenhang mit der  Pflege und Beaufsichtigung der Heimbewohnerin oblagen, fahrlässig verletzt. Da die Ehefrau des Klägers aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages in dem  Pflegeheim untergebracht war, richtet sich der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz  der  materiellen Schäden nach den Grundsätzen der  positiven Vertragsverletzung. Insoweit ist nach § 282 BGB  a. F. von einer  Umkehr  der  Beweislast auch hinsichtlich des objektiven Pflichtverstoßes auszugehen.


Die Beweislastumkehr  greift grundsätzlich erst ein, wenn feststeht, dass der  Schädiger objektiv gegen seine Vertragspflichten verletzt hat. Sie erstreckt sich aber  schon auf den objektiven Pflichtenverstoß, wenn der  Geschädigte im  Herrschafts­ und Organisationsbereich des Schuldners zu Schaden gekommen ist und die den Schuldner treffenden Vertragspflichten auch dahin gingen, den Geschädigten gerade vor solchen Schäden zu bewahren. Das gilt insbesondere, wenn es um Risiken geht, die ein Träger einer Anstalt oder dessen Personal voll beherrschen können. Zu diesem Bereich gehört insbesondere, wenn das  Pflegepersonal in seinem eigentlichen Aufgabenbereich, namentlich bei Bewegungs­ und Transportmaßnahmen tätig ist. Denn es darf nicht geschehen, dass in solchen – für  den Patienten besonderen Gefahrensituationen – der  Patient aus nicht zu klärenden Gründen zu Fall kommt. In diesem Fall kam die Ehefrau des Klägers  am Ende einer  solchen Transportmaßnahme zu Sturz, nachdem sie von der  Pflegerin vom  Speisesaal in ihr  Zimmer zurückgeführt worden war, und dort für die Nacht vorbereitet wurde. Die Frage der Beweislast kann letztlich sogar dahinstehen, weil nach den Schilderungen der Pflegerin in der  mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2006 feststeht, dass  sie durch eine fahrlässige Unachtsamkeit den Sturz der Ehefrau des Klägers verursacht hat.


Das Gericht hat – dem Sachverständigen folgend – die anders lautende Auffassung vor  allem auf den Umstand verengt, ob es vertretbar  war, eine einzelne Pflegekraft – die beklagte Pflegerin ­ mit der Rückführung der Ehefrau des Klägers in ihr  Zimmer  und ihrer  Versorgung dort zu befassen oder  eine zweite Pflegekraft hätte hinzugezogen werden müssen. Darauf kommt es nicht entscheidend an. Selbst wenn man davon ausgeht, dass im vorliegenden Fall die Betreuung durch eine Pflegekraft ausreichend, die Mobilisierung der  Pflegebefohlenen medizinisch sinnvoll war und (statistisch) 60% der Stürze von Pflegeheiminsassen nicht vermeidbar  sind, steht damit das Verschulden der  Pflegerin noch nicht außer Frage. Entscheidend ist, ob die Pflegerin bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 3 BGB) in der Lage gewesen wäre, sich im Rahmen des ihr  Zumutbaren so zu verhalten, dass ein Sturz  der  Ehefrau des Klägers  ausgeschlossen war.






Nach den Angaben der  Pflegerin in der  mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2006 war davon auszugehen, dass ihr hierzu mehrere ohne weiteres zumutbare Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten. Die Pflegerin hatte eingeräumt, dass sie die Ehefrau des Klägers auch auf ihr  Bett hätte setzen oder  legen, sie dort entkleiden und erst dann zum  Toilettenstuhl führen können; ebenso wäre in Betracht gekommen, sie sofort zu dem Toilettenstuhl zu führen, darauf zu setzen und mit dem Stuhl zum  Waschbecken zu fahren, damit sie sich, wenn die Pflegerin sie im Stehen entkleiden wollte, dort an den Haltegriffen hätte festhalten können. Ein sachlicher Grund für die gewählte Form der Entkleidung bestand nicht. Die Pflegerin hat bekundet, sie habe sich für  die geschehene Ausführungsweise entschieden, weil sie das routinemäßig immer  so gemacht habe und ihr  die Bewohnerin am Unfalltag stark genug erschienen sei, für den kurzen Moment, in dem sie den Toilettenstuhl habe holen wollen, unter Zuhilfenahme der Haltegriffe am Waschbecken ohne Hilfe stehen zu bleiben.


Das schließt das Verschulden der  Pflegerin schon deshalb nicht aus, weil sie nicht darauf vertrauen durfte, dass die Ehefrau des Klägers auch nur kurzfristig  ohne Hilfe stehen bleiben würde, sondern mit unvorhergesehenen Stürzen rechnen musste. Die Ehefrau des Klägers wies wie die Kammer – gestützt auf die Sachverständigengutachten – zu Recht ausgeführt hat, aufgrund ihrer  verschiedenen Erkrankungen (Alter, Muskelschwäche, schlechte Balance, Gangstörungen, Demenz, Multimedikation und vorangegangener Sturz) ein „fast maximales Sturzrisiko“  auf. Ihre schlechte gesundheitliche Situation war  der  Pflegerin bekannt, welche die Bewohnerin seit längerem betreute. Sie kannte insbesondere auch den Pflegebericht, in welchem  vermerkt war, dass  die Bewohnerin nur  „mit Hilfe des Pflegepersonals kurze Zeit (mit Festhalten am  Waschbecken)  stehen“  könne. Hinzu kommt, dass die Pflegerin sich – wie sie ausgeführt hat – am Unfalltag noch nicht einmal vergewissert hatte, ob die demenzkranke Ehefrau des Klägers  ihre Aufforderung, sich am Waschbecken festzuhalten, überhaupt verstanden hatte.


Die Pflegende durfte deshalb nicht dadurch eine von ihr  nicht mehr  beherrschbare Situation herbeiführen, dass sie sich von der  Pflegeperson abwandte, und sie so bei einem Sturz nicht mehr rechtzeitig eingreifen konnte. Dem  klagenden Ehemann steht somit aus übergegangenem Recht ein Schmerzensgeldanspruch (§§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB) in Höhe von 8 000,00 EUR zu. Der Anspruch soll einen Ausgleich für die von der Ehefrau des Klägers erlittenen Schmerzen und Leiden enthalten. Er  ist unter Berücksichtigung der  Umstände des Einzelfalles nach billigem Ermessen festzusetzen. Zu berücksichtigen sind dabei u. a. das Ausmaß und die Schwere der  Verletzung, die Dauer  der  stationären Behandlung, ihre Operation, die Heftigkeit und die Art der  von ihr  erlittenen Schmerzen.


Die Ehefrau des  Klägers wurde durch den Sturz nicht unerheblich verletzt. Sie erlitt eine Oberarmfraktur und eine Schädelkontusion mit Gesichtsverletzung; sie musste sich deshalb im Krankenhaus einer  Schädeloperation zur  Ausräumung eines beidseitigen subduralen Hämatoms  unterziehen, in deren Folge es  zu beträchtlichen Komplikationen, Schmerzen und lang anhaltenden, gesundheitlichen Beeinträchtigungen kam, die bis zu ihrem Tode andauerten: Sie erkrankte aufgrund eines Krankenhauskeims an einer  Lungenentzündung, die eine besondere Behandlung durch das  Medikament Vancomycin erforderlich machte, welches bei ihr  zu einer  Niereninsuffizienz führte. Die Komplikationen bewirkten eine Bettlägerigkeit bis  zu ihrem Tode. Die lange Liegezeit hatte zur Folge, dass sie einen Dekubitus am Steißbein und beiden Fersen erlitt.



Ihre


Eva Mertens




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Quellen:

Az: OLG Zweibrücken 4U68/05

Rolf Höfert 

Bildernachweis: pixabay.com





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