Die nationalen Expertenstandards des DNQP sind evidenzbasierte, monodisziplinäre Instrumente, die den spezifischen Beitrag der Pflege für die gesundheitliche Versorgung von Patienten, Bewohnern und ihren Angehörigen aufzeigen und als Grundlage für eine kontinuierliche Verbesserung der Pflegequalität in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen dienen. Ihre Funktion besteht hauptsächlich darin, neben der Definition beruflicher Aufgaben und Verantwortung eine evidenzbasierte Berufspraxis zu fördern und Innovation in Gang zu setzen. Darüber hinaus fördern sie – analog zu ärztlichen Leitlinien – die interprofessionelle Kooperation in den Gesundheitseinrichtungen.
Die Expertenstandards finden Sie unter folgendem Link.
Jeder Expertenstandard kann für sich einzeln betrachtet werden, in ihrer Gesamtheit sollen sie aber die wichtigsten Pflegephänomene und Risiken abdecken und weisen so auch Beziehungen, Verbindungen und Abhängigkeiten zueinander auf. So können z. B. die Expertenstandards Dekubitusprophylaxe (in der Fassung der 2. Aktualisierung) und der Expertenstandard Mobilität nicht mehr getrennt betrachtet werden, da im Expertenstandard Dekubitusprophylaxe die Mobilitätsförderung als die wesentliche Voraussetzung für die Verhinderung der Entstehung eines Dekubitus explizit benannt wird. Ebenso haben die Expertenstandards Bedeutung für weitere wichtige pflegefachliche Themen/Handlungsfelder, für die selbst kein Expertenstandard besteht, so z. B. die Kontrakturprophylaxe, bei der wir aktuell wissen, dass die Förderung und Erhaltung der Mobilität die einzige evidenzbasierte Maßnahme darstellt, um das Entstehen von Kontrakturen vorzubeugen.
Die Beziehung zwischen Expertenstandards, Neuem Pflegebedürftigkeitsbegriff und Strukturmodell
Die wissenschaftsbasierten Themenmodule des Neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und die Themenfelder im Strukturmodell weisen eine große Parallelität zu den Themen der Expertenstandards auf, sie sind mit diesen aber nicht vollständig identisch. Wingenfeld et al. haben sich bei der Entwicklung des NBI an den weltweit wichtigsten Risiken und Pflegephänomenen in der Langzeitpflege orientiert und die Autorinnen des Strukturmodells um Elisabeth Beikirch haben sich entschieden, diese als Grundlage der Themenfelder zu verwenden. Expertenstandards sind für die gesamte Berufsgruppe professionell Pflegender (Ausnahme Expertenstandard Mobilität) verfasst, wohingegen das Strukturmodell und der Neue Pflegebedürftigkeitsbegriff für den Bereich des SGB XI (Pflegeversicherung), also im Wesentlichen für die Langzeitpflege, entwickelt wurden.
Aufbau einiger Expertenstandards
Im Strukturmodell bildet das Wissen der Expertenstandards für die Pflegefachkräfte eine wesentliche Grundlage für ihre pflegefachlichen Einschätzungen in den Themenfeldern, der Risikomatrix und in der Maßnahmenplanung.
Beziehung zwischen Themenfelder SIS® - Themenmodule NBA - Expertenstandards
Beziehung zwischen Themenfelder SIS® - Themenmodule NBA - Expertenstandards
Beziehung zwischen Expertenstandards und Strukturmodell
Expertenstandards und Pflegemodell, Pflegesystem und Pflegekonzept
Pflegeeinrichtungen benötigen ein Pflegekonzept, dem eine Pflegetheorie und ein damit verbundenes Pflegemodell zugrunde liegen sollten. Pflegetheorien großer Reichweite, wie wir sie kennen, wollen auf einer übergeordneten allgemeinen Ebene Zusammenhänge erklären und daraus normative Handlungsanleitungen ableiten. Aufgrund ihres allgemeinen Charakters sind sie für die konkrete Pflegesituation/ das spezifische Setting oft wenig hilfreich. Auf der Ebene des Leitbildes sollte sich eine Einrichtung für eine prinzipielle Sichtweise auf die Pflege entscheiden, z. B. für die person-zentrierte Sichtweise als Grundlage pflegerischen Handelns.
Die Expertenstandards bevorzugen in der Regel keine bestimmte Pflegetheorie. Sie sind ähnlich wie z. B. Kinästhetik oder das Bobath-Konzept Praxiskonzepte. Die vorhandenen Expertenstandards sind in der Mehrheit prinzipiell in jedes Pflegemodell integrierbar und können mit ihm zur Anwendung gebracht werden. Wir beziehen uns in unserer Darstellung auf den 4-phasigen Pflegeprozess nach dem WHO-Modell und die Dokumentation nach dem Strukturmodell zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation und damit auf eine Festlegung auf ein interaktionistisches Pflegemodell und den person-zentrierten Ansatz. Waren die ersten Expertenstandards noch stark am pflegefachlichen Bedarf und dem 6-phasigen Pflegeprozess orientiert, so ist mit den ersten Aktualisierungen und den seitdem entstandenen neuen Expertenstandards eine Hinwendung zu einer person-zentrierten Sichtweise zu beobachten. Der neueste Expertenstandard zur Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz empfiehlt z. B. explizit einen personzentrierten Ansatz.
Interaktionistische Pflegemodelle/personzentrierte Modelle:
• Hildegard Peplau
• Imogen King
• Rosemarie Rizzo-Parse
• Maria Mischo-Kelling
• Erwin Böhm
• Tom Kitwood
• Charta der Pflegebedürftigen.
Die Charta der Pflegebedürftigen wird mittlerweile von vielen Einrichtungen als konzeptuelle Grundlage verwendet. Sie ist sowohl mit den Expertenstandards als auch mit dem Strukturmodell kompatibel und zudem offen für ergänzende Konzepte (für spezielle Personengruppen).
Für das Pflegesystem kommt bei einem Interaktionsmodell unserer Meinung nach nur ein Bezugspflegesystem infrage (Primary Nursing, Bezugspflege, Bezugspersonenpflege). Die Ausgestaltung hängt natürlich stark von der Personalstruktur (Vollzeit-/Teil-zeit), vom Qualifikationsmix (Fachkraftquote) und der Organisationsform (Wohngruppen, Ambulantisierung etc.) ab. (1)
(1) Sabine Hindrichs • Ulrich Rommel Expertenstandards praktisch anwenden
Insbesondere sind bei einer Prüfung des MDK bzgl. Pflegefehler die Expertenstandards von äusserst großem Wert und werden eingehend geprüft, ob ein Pflegeprozess erkennbar war und auch durchgeführt wurde.
Herzlichste Grüße
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