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AutorenbildSchwester Eva - Pflegeexpertin

Die Bedeutung des Medizinischen Dienstes für die Qualitätssicherung in der Pflege – Ein unverzichtbares Instrument in Zeiten des Fachkräftemangels




In Deutschland arbeiten rund 4.900 Pflegefachkräfte beim Medizinischen Dienst (MD) – einer unabhängigen Prüfinstanz, die im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen für die Sicherstellung und Kontrolle der Pflegequalität verantwortlich ist. Angesichts des angespannten Pflegesektors und des allgegenwärtigen Fachkräftemangels wird der MD zunehmend als „Konkurrent“ im Arbeitsmarkt für Pflegekräfte betrachtet. Kritiker argumentieren, dass die Pflegefachkräfte des MD besser in der direkten Versorgung eingesetzt werden sollten, wo der Bedarf am größten sei. Doch diese Sichtweise verkennt die fundamentale Funktion des MD: Ohne eine unabhängige Qualitätskontrolle würden sich bestehende Probleme in der Pflege verschärfen, was die Attraktivität des Berufs weiter sinken lassen würde und letztlich die Versorgung der Patient*innen gefährden könnte.


Sehen Sie dazu hier den Artikel unter Springer Pflege.


Die Rolle des Medizinischen Dienstes in der Pflege: Qualität statt Quantität


1. Sicherstellung der Pflegequalität in einem komplexen und fragmentierten System


Das deutsche Pflegesystem umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Einrichtungen und Dienstleister, von ambulanten Pflegediensten über stationäre Einrichtungen bis hin zu privaten Pflegeanbietern. In einem derart diversifizierten System ist es entscheidend, dass unabhängige Stellen wie der MD die Pflegequalität prüfen und sicherstellen. Die Prüfungen des MD gehen weit über eine bloße Kontrolle hinaus – sie erfassen detailliert, ob Pflegeleistungen fachgerecht und den individuellen Bedürfnissen der Pflegebedürftigen entsprechend erbracht werden.


Ohne die qualifizierte Arbeit der MD-Pflegekräfte würden Mängel und Missstände unentdeckt bleiben, was die Versorgungssicherheit der Pflegebedürftigen erheblich gefährden könnte. Die MD-Mitarbeitenden arbeiten an vorderster Front, um sicherzustellen, dass die Pflegebranche selbst bei steigendem Kostendruck und begrenzten Ressourcen den Pflegebedürftigen eine angemessene und menschenwürdige Versorgung bieten kann. Pflegefachkräfte beim MD sind damit unverzichtbar für die Sicherstellung eines Mindeststandards, der die Basis für Vertrauen in die Pflegeversorgung bildet.


2. Pflegefehler und die Konsequenzen unzureichender Qualitätssicherung


Die Pflegebranche ist durch einen Mangel an Fachkräften und eine hohe Arbeitsbelastung gekennzeichnet, was das Risiko von Pflegefehlern erheblich erhöht. Pflegefehler – sei es durch unzureichende Hygiene, fehlerhafte Medikamentenvergabe oder die Vernachlässigung von Grundbedürfnissen – haben für die betroffenen Patient*innen oft schwerwiegende Konsequenzen. Studien zeigen, dass Pflegefehler nicht nur die Gesundheit der Pflegebedürftigen beeinträchtigen, sondern auch das Vertrauen in die gesamte Branche schädigen.


Hier setzt der MD an: Mit seinem fundierten Fachwissen deckt er systematisch Defizite in den Pflegeprozessen auf und entwickelt präventive Maßnahmen. Seine Arbeit stellt sicher, dass Pflegeeinrichtungen die notwendigen Anpassungen vornehmen, um die Qualität der Pflege zu verbessern. Ohne den MD würden Pflegefehler möglicherweise unentdeckt bleiben, was langfristig das Vertrauen in Pflegeeinrichtungen und das gesamte Gesundheitssystem schwächen könnte.


3. Die spezielle Qualifikation der MD-Pflegekräfte: Ein unersetzlicher Bestandteil der Qualitätssicherung


Die Arbeit im MD erfordert eine umfassende fachliche und methodische Qualifikation, die weit über das Spektrum der direkten Patientenversorgung hinausgeht. Pflegefachkräfte im MD bringen nicht nur fundiertes Wissen in der Pflegepraxis mit, sondern auch besondere Kompetenzen im Bereich der Pflegequalität, -analyse und -bewertung. Diese Expertise ist entscheidend für eine differenzierte Beurteilung der Pflegequalität in verschiedensten Einrichtungen und für die Erstellung klarer Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Versorgungsqualität.


Die Rolle der MD-Pflegekräfte ist daher nicht einfach durch eine Rückführung in die direkte Pflege zu ersetzen. Ihre Arbeit erfordert ein tiefes Verständnis für rechtliche Rahmenbedingungen, Qualitätsstandards und pflegerische Prozesse, das für die effektive Qualitätssicherung unabdingbar ist. MD-Pflegekräfte sind speziell geschult, Defizite zu erkennen und Maßnahmen zur Behebung anzustoßen – eine Expertise, die im direkten Pflegealltag nicht in dieser Form gefordert wird.


4. Präventive Wirkung des MD: Langfristige Entlastung statt kurzfristiger Eingriffe


Der MD agiert nicht nur reaktiv, sondern präventiv, indem er Risiken und Probleme in der Pflegeversorgung frühzeitig identifiziert und gezielt gegensteuert. Seine Arbeit reduziert langfristig das Risiko von Pflegefehlern und schafft verbesserte Prozesse, die zu einer stabileren und sichereren Pflegeumgebung führen. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitsalltag für die Pflegekräfte in den Einrichtungen letztlich entlastet wird, da durch den MD überprüfte und angepasste Pflegeprozesse Fehler und unnötige Belastungen für das Pflegepersonal reduzieren.


Diese präventive Arbeit des MD ist eine Antwort auf die Herausforderungen eines Systems, das sowohl unter einem Fachkräftemangel leidet als auch von Kostendruck geprägt ist. Indem der MD Mängel im System aufzeigt und mit den Einrichtungen an Lösungen arbeitet, sorgt er dafür, dass langfristige Verbesserungen in den Pflegeprozessen Einzug halten. Dies ist eine tragende Säule der Nachhaltigkeit und Stabilität im Pflegesektor, die den langfristigen Fachkräftemangel indirekt positiv beeinflusst.



Der begrenzte Einfluss der MD-Fachkräfte auf den Fachkräftemangel in der Pflege


1. Quantitativ marginale Rolle der MD-Fachkräfte im Kontext des Fachkräftemangels


Der Fachkräftemangel in der Pflege ist ein strukturelles Problem, das nicht durch die bloße Rückführung von 4.900 MD-Pflegekräften in die direkte Versorgung gelöst werden kann. Die Nachfrage nach qualifizierten Pflegekräften liegt um ein Vielfaches höher, sodass die Zahl der beim MD beschäftigten Fachkräfte im Vergleich zur Gesamtlücke marginal ist. Die beim MD beschäftigten Pflegekräfte könnten den Bedarf in der direkten Patientenversorgung nicht spürbar entlasten. Ihre Abwanderung aus dem MD würde jedoch eine Lücke im System der Qualitätssicherung hinterlassen, was den ohnehin belasteten Pflegeeinrichtungen zusätzlichen Druck auferlegen würde.


2. Strukturelle Ursachen des Fachkräftemangels


Der Fachkräftemangel resultiert aus systemischen Herausforderungen in der Pflegebranche: unangemessene Arbeitsbedingungen, niedrige Bezahlung und hohe physische und psychische Belastungen. Die Arbeit im MD stellt eine alternative Karriereoption dar, die Pflegekräften oft bessere Arbeitsbedingungen und größere Planungssicherheit bietet. Doch selbst wenn die Fachkräfte des MD in die direkte Pflege zurückkehrten, würde dies an den grundlegenden Ursachen des Fachkräftemangels nichts ändern. Der MD trägt durch seine qualitätssichernden Aufgaben dazu bei, dass Pflegeeinrichtungen die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte stetig verbessern können, was eine nachhaltigere Lösung für den Fachkräftemangel bietet.


3. Gefahr eines Qualitätseinbruchs ohne den Medizinischen Dienst


Die Rückführung der MD-Pflegekräfte in die direkte Versorgung könnte zu einem drastischen Qualitätseinbruch in der Pflege führen. Ohne den Medizinischen Dienst würden die Pflegeeinrichtungen selbst die Qualitätssicherung übernehmen müssen, was zusätzliche Ressourcen und Expertise erfordert, die in vielen Einrichtungen nicht ausreichend vorhanden sind. Eine solche zusätzliche Belastung würde den ohnehin knappen Personalstand in den Pflegeeinrichtungen noch weiter belasten und die Arbeitsbedingungen verschlechtern – ein Teufelskreis, der letztlich die Attraktivität des Pflegeberufs weiter verringern und den Fachkräftemangel verschärfen könnte.


Schlussfolgerung


Die Pflegebranche in Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen, und der Medizinische Dienst leistet einen entscheidenden Beitrag zur Sicherstellung der Pflegequalität. Eine Rückführung der beim MD tätigen Pflegefachkräfte in die direkte Patientenversorgung würde das grundsätzliche Problem des Fachkräftemangels nicht beheben und zugleich die Qualitätssicherung in der Pflege erheblich beeinträchtigen. Der MD agiert als unabhängige Kontrollinstanz, die nicht nur den Pflegebedürftigen Sicherheit gibt, sondern auch die Pflegekräfte entlastet und die Qualität der Pflege langfristig steigert.


Die Fachkräfte des MD sind unverzichtbar für die Stabilität und Zuverlässigkeit des Pflegesystems, das durch Qualitätssicherung, Prävention und spezialisierte Prüfungen getragen wird. Die Sicherstellung der Pflegequalität ist keine zusätzliche Aufgabe, sondern eine notwendige Voraussetzung für ein funktionierendes Pflegesystem, das langfristig den Fachkräftemangel nur durch strukturelle Veränderungen überwinden kann. Die Existenz und Arbeit des Medizinischen Dienstes ist damit essenziell für die Zukunft der Pflege in Deutschland.



GLG Schwester Eva






Quellen:


"Ursachen und Chancen für den Fachkräftemangel in der Pflege in Deutschland aus der Perspektive der Resonanz- und Coolouttheorie" von Katharina Engelmann (2022). Diese Masterarbeit untersucht die Ursachen des Fachkräftemangels in der Pflege und bietet theoretische Perspektiven zur Bewältigung des Problems.


"Qualitätsmanagement in den gesundheitsversorgenden Sektoren des Gesundheitswesens" von Jürgen Klauber und Jörg Friedrich (2014). Dieses Werk bietet einen Überblick über aktuelle Qualitätsmanagement- und Zertifizierungsverfahren sowie deren Wirksamkeit und Nutzen im Gesundheitswesen.


"Entwicklung eines wissenschaftlich basierten Qualitätsverständnisses für die Pflegequalität" von Martina Hasseler und Renate Stemmer (2018). Der Beitrag diskutiert die Herausforderungen bei der Messung von Pflegequalität und stellt ein theoretisches Modell zur Qualitätsbewertung vor.


"Zur Situation der Pflegekräfte in Deutschland – Herausforderungen und Lösungsansätze" von Hildegard Theobald (2022). Dieses Kapitel beleuchtet die aktuelle Situation der Pflegekräfte in Deutschland und diskutiert mögliche Lösungsansätze für den bestehenden Fachkräftemangel.


"Qualität und Qualitätsmessung in der Pflege – Theoretische Grundlagen und methodische Zugänge" von Peter Hensen (2018). Der Beitrag gibt eine Einführung in das Thema Qualität und Qualitätsmessung in der pflegerischen Versorgung und stellt theoretische sowie methodische Grundlagen vor.


"Fachkräftepotenziale für die Pflege. 300.000 Vollzeitkräfte ließen sich gewinnen" von Susanne Seyda und Helen Hickmann (2023). Diese Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft analysiert Potenziale zur Gewinnung von Pflegefachkräften und bietet Handlungsempfehlungen.


"Pflegefachkräftemangel — sieht so die Zukunft aus?" von Sascha Buchinger (2017). Der Artikel diskutiert die zukünftigen Herausforderungen des Pflegefachkräftemangels und mögliche Auswirkungen auf das Gesundheitssystem.


"Fachkräftemangel in der Gesamtperspektive" von Karl Brenke (2018). Dieses Kapitel beleuchtet den Fachkräftemangel in Deutschland aus volkswirtschaftlicher Sicht und erörtert mögliche Gründe für Engpasslagen.


"Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung im Gesundheitswesen" von Jürgen Klauber und Jörg Friedrich (2022). Der Beitrag behandelt Sinn, Ziele und Methoden der Qualitätssicherung, des Qualitätsmanagements und des klinischen Risikomanagements im Gesundheitswesen.


"Fachkräftemangel in der Pflege" von Jennie Auffenberg (2021). Dieser Bericht der Arbeitnehmerkammer Bremen analysiert den Fachkräftemangel in der Pflege und diskutiert mögliche Lösungsansätze.


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