Wer kennt das nicht als Pflegekraft?
Ein dementer Bewohner oder Bewohnerin haut einfach aus dem Heim ab und wird entweder wieder aufgegriffen oder im Schlimmsten Fall nach einer umfassenden Suche mit Polizei und Hubschrauber dann leider tot aufgefunden.
Wie hier im vorliegenden Fall:
Denn sobald man bemerkt hat das ein Bewohner oder Bewohnerin nicht mehr da sind, sucht man doch das ganze Pflegeheim ab bis in die hintersten Ecken des Kellers und gräbt jeden Stein im Garten um und wenn man den Bewohner nicht findet, muss mal leider die PDL informieren und oder direkt die Polizei informieren.
Wen plagen denn da nicht Schuldgefühle?
Man hat nicht genügend acht gegeben auf seine Bewohner? Hätte man nicht erkennen können, dass der Bewohner mal wieder über immer den gleichen Weg verschwindet? Hätten wir den Bewohner nicht lieber mit weiteren Möglichkeiten besser beaufsichtigen müssen?
Insbesondere wenn es dann zu so einem traurigen Vorfall kommt.
Wie verhält sich das ganze den jetzt mit unseren Schuldgefühlen und einer möglichen Haftung für die Pflegekraft?
Immer wieder hört man folgende Begriffe:
Schauen Sie sich dieses kurze Video dazu an:
Nun wollen wir uns näher damit beschäftigen:
Unabhängig davon, ob der Bewohner das Gelände mit oder ohne Kenntnis der Pflegekräfte verlassen hat, liegt hier keine Pflichtverletzung vor.
Aus dem Heimvertrag ergibt sich weder ein Recht noch eine Pflicht zu einer ständigen lückenlosen Beobachtung.
Auch sind die Pflegenden nicht verpflichtet, die Versicherte im Fall einer möglichen Eigengefährdung am Verlassen des Geländes zu hindern.
So hat das Landgericht Paderborn im Juni 2001 entschieden (Az.: 3 O 38/01).
In diesem Fall war die Bewohnerin gehbehindert und litt zudem unter plötzlichen Schwindelanfällen, Beeinträchtigungen des Seh- und Hörvermögens sowie einer fortschreitenden Demenz.
Stationäre Pflege bedeutet nicht das Aufgeben des Selbstbestimmungsrechts des Menschen. Die Fürsorgepflicht des Alten- und Pflegeheims hat ihre Grenzen bei den Grundrechten der Bewohner: Menschenwürde, freie Gestaltung der Persönlichkeit.
So ist es auch in § 2 Bundesheimgesetz und in gleichlautenden Landesvorschriften sowie in § 2 SGB XI als Gesetzesziele festgehalten.
Dieses Selbstbestimmungsrecht darf nicht eingeschränkt werden.
Das Landgericht Paderborn hat klargestellt, dass selbst wenn die Pflegekräfte von dem geplanten Spaziergang gewusst hätten, sie die Entscheidung der Patientin respektieren mussten, den Weg allein oder – im konkreten Fall – in der von ihr gewählten Begleitung einer Bekannten zu unternehmen.
Aus dem Heimbetreuungsvertrag erwächst für den Betreuer zwar die Nebenpflicht, die Heimbewohner vor Schaden zu bewahren.
Diese ist aber auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen begrenzt, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind. Unmögliches kann vom Pflegeheim und den Mitarbeitern nicht abverlangt werden.
Darüber hinaus ist in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung des körperlichen und geistigen Zustands sowie der Würde des einzelnen Heimbewohners abzuwägen, welche seiner Sicherheit dienende Maßnahme als verhältnismäßig angesehen werden kann. Dabei sind auch therapeutische Zielvorstellungen zu beachten.
In der Betreuung von Menschen mit Demenz gilt folgender Grundsatz:
loslassen, aber nicht alleine lassen!
Der Demenzerkrankte braucht viel Ansprache, aber ganz bestimmt keine Überwachung.
Hilfreich ist hier ein Merkblatt für die Mitarbeiter, aber auch für Angehörige, in dem steht, in welchen typischen Lebenslagen mit welchen Handlungsweisen der natürliche Wille des Bewohners am besten gewahrt wird (Hillebrandt, Pflege- und Krankenhausrecht 3/2002, S. 74 ff).
Erzählen Sie mir, ist es Ihnen auch schon mal so ergangen?
Liebe Grüße
Ihre
Eva Mertens
Quellen:
Bilder: pixabay.com
Die Schwester Der Pfleger
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